Oder wollte der Bauer Feierabend machen? – Nach dem Pflegeschnitt auf unseren Blühflächen im März kamen bei Uneingeweihten solche Fragen schon mal auf. Denn Landwirt Henning Harms hatte begonnen, den alten Aufwuchs auf einer Blühfläche zu schlegeln. Selbst jetzt nach dem Winter lag beim Mähen ein Duft von Kräutern in der Luft. Mittendrin wurde aber Schluss gemacht. Dann ging es weiter zu den nächsten Flächen und hier wiederholte sich das Spiel.

Unsere Blühfläche am Sportplatz: Vorne geschlegelt, hinten nicht - warum?

Was wie halb erledigte Arbeit aussieht, ist Konzept. Denn bei unseren Blühflächen haben wir das Ziel, dass Insekten nicht nur Nahrung finden, sondern wirklich ganzjährig überleben können. Deshalb gibt es am Ende der Saison keine Bodenbearbeitung, die die überwinternden Tiere oder ihre Eier, Larven oder Puppen am Boden oder unter der Erdoberfläche vernichten würde. Aber auch Mähen kann ein Problem sein, denn manche Insekten überwintern oberirdisch an oder in den alten Pflanzen, zum Beispiel der Schwalbenschwanz, ein seltener Schmetterling, der zu unserer Freude schon im ersten Jahr unsere Blühflächen besiedelt hat. Er überdauert den Winter als Puppe, die mit einem selbstgesponnenen Faden an einem stabilen Stängel befestigt ist. Mäht man im Herbst alles komplett ab, damit es „sauber“ aussieht, werden die Puppen zerschlagen oder sie liegen am Boden und verpilzen. Die Ansiedlung wäre dann vernichtet.

Deshalb achten wir darauf, dass nie die ganze Fläche auf einmal gemäht wird. So gibt es immer Bereiche, in denen Insekten im abgestorbenen Bewuchs überwintern können. Speziell geschont wurden die Bereiche, in denen im Sommer Schwalbenschwanz-Raupen gesehen wurden.

Am einfachsten wäre es natürlich, gar nicht zu mähen. Aber das wäre nicht der Weisheit letzter Schluss, weil manche Pflanzenarten, vor allem einige unerwünschten Gräser, dazu neigen, die Pflanzenvielfalt zu überwuchern und weil der alte Aufwuchs die Rosetten der Wildblumen ausdunkelt, wo er sehr dicht ist. Wenn die Pflanzenvielfalt leidet, leidet aber auch die Insektenvielfalt. Und es gibt noch einen positiven Effekt beim Blühflächenschnitt, nämlich die Verlängerung der Blütezeit. Wenn Teilflächen im Sommer mit hoch eingestelltem Mähwerk herunter geschnitten werden, können die Pflanzen hier noch einmal nachtreiben und spät blühen, wenn in der Landschaft sonst kaum noch Blütenangebote da sind.

Auf unseren Blühflächen herrscht deshalb nicht nur eine Vielfalt an Arten, sondern auch eine Vielfalt bei der Pflege. Und das ist gut so, weil für die unterschiedlichsten Ansprüche der Insekten auf ein und derselben Fläche immer unterschiedliche Angebote da sind.

Bunte Vielfalt an unterschiedlicher Pflege (Blühfläche am Ortsausgang nach Kamerun): Vorne der Rand der Kreisstraße, der im Herbst von der Straßenmeisterei gemäht wird. Dann ein Streifen, der jetzt geschlegelt wurde, damit die Blumen mehr Licht bekommen. Rechts hinten wurde bisher noch gar nicht gemäht, der Aufwuchs ließ hier noch genug Licht durch. Hier könnte es einen Schnitt im nächsten Sommer geben. Links hinten wurde im Herbst gemäht und das Mähgut wurde abgefahren. Die Wildblumen stehen hier sehr gut als Rosetten in den Startlöchern. Ganz hinten eine Blühfläche von Henning Harms, die nicht zum Projekt gehört. Hier wurde eine von der Biosphärenreservatsverwaltung entwickelte Mischung eingesät, die vor allem Hummeln viel mehr nützt als übliche Standardmischungen und die Blühpatenfläche gut ergänzt.

Fotos © G. Wilhelm