„Mein Haus heißt ein Bethaus allen Völkern"

Aus der Geschichte der Kirche zu Damnatz

Die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) war allen historischen Berichten nach wirtschaftlich wohlhabend und auch kulturell nicht karg.

Das beweisen uns deutlich die wenigen Gebäude und anderweitigen Kulturgüter, die aus jenen fernen Tagen auf uns gekommen sind. Und wer glaubt, die Beziehungen der Menschen und Völker untereinander wegen fehlender rasanter Verkehrsmittel damals doch nur dürftig oder gar unmöglich gewesen sein können, der irrt. Füße, Rosse, Wagen und Schiffe brachten die Reisenden immer an ihr Ziel.

Der Austausch von Waren und Kulturen vollzog sich zwar gemächlich aber rege und intensiv zum Wohle des Einzelnen wie der Gemeinschaften.

Das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation" machte den größten Teil Europas fast grenzenlos. Zeugen einer intensiven Verbundenheit von Flandern bis ins Baltikum sind die erhaltenen Kulturschätze. Trotz vieler Fürstentümer und Gewalten unter der einigenden Kaiserkrone waren die Grenzen durchlässig. Eine so totale und brutale Abriegelung von Ländern und Völkern, wie sie fluchartig im vergangenen Jahrhundert mitten in Europa installiert und fast fünfzig Jahre praktiziert wurde, kannte man nicht. Sie wäre auch technisch nicht durchführbar gewesen. Da hatte es zwar in uralten Zeiten zur Aussperrung der Germanen den römischen Limes gegeben. Er hatte im Endeffekt nichts genützt, und das war lange her.

Und wer sich in jenen Tagen von der Scholle oder aus der Werkstatt lösen konnte, der wanderte meinethalben bis Reval oder Brügge, übte seine Kunst aus, vervollständigte sich, fand in der Ferne sein Glück oder trug ideellen und realen Reichtum eines schönen Tages heim.

Aus dieser Zeit nun stammt die Fachwerkkirche von Damnatz. 1617 wurde sie als ein Neubau mit polygonalem (viereckigem) Chorschluss im Osten und vorgesetztem, rechteckigem Westturm errichtet. Doch bereits 1386 ist für Damnatz eine Kirche genannt, allerdings wissen wir über Gestalt und Einrichtung des alten Gotteshauses nichts mehr. Damnatz ist demgemäß eine hochbejahrte Kirchengemeinde.

Mit seinem soliden Eichengebälk und den Fachfüllungen aus Backstein ist der „Neubau" einerseits ganz aus der Landschaft erwachsen und andererseits in seiner Gestaltung ein ausdrucksstarkes Baudokument der damaligen Kulturepoche, gewiss ganz im Rahmen der örtlichen Möglichkeiten.

Dies sei eingeflochten: Damnatz heißt auf wendisch der Eichenort. Damna, im Drawehn auch Dumna, soll auf Polabisch die Eiche genannt worden sein. Der Ortsname führt uns also zurück in eine Zeit vor der deutschen Kolonisation unseres Raumes um 1150 nach Christi Geburt.

Er beweist, dass damals die einwandernden Niedersachsen hier, wie auch andernorts in der neu geschaffenen Grafschaft Dannenberg, auf slawische Volksteile gestoßen waren, die ohne massive Auseinandersetzungen geduldet und allmählich eingedeutscht wurden. Deren Ortsnamen sind aber übernommen worden. Starke Stieleichen waren demnach ortstypisch und es gebrach an gutem Bauholz nie. Die notwendigen Ziegel wurden gleichfalls vor Ort gebacken aus dem Auelehm des Elbstromes.

Damnatz hatte noch bis an die Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert eine Ziegelei. Der letzte Ziegler war Salge. 1617 war die Bauernschaft demnach nach so finanzstark, sie sich eine neue Kirche aus tadellosem heimischen Material leisten konnte und vor allem wollte.

Alle Kosten und Mühen eines solchen Baus lagen nämlich samt und sonders auf den Gemeindemitgliedern. Da galt es nicht nur finanzielle Opfer zu erbringen, sondern auch mit Hand- und Spanndiensten kräftig zur Vollendung des Werkes beizusteuern.

Würde so etwas in unserer Zeit gelingen? Jede Kirche ist immer das Spiegelbild der wirtschaftlichen Stärke, des kulturellen Anspruchs und vor allem der religiösen Kraft einer Gemeinde. So wird sie auch zum Kristallisationspunkt des „Christlichen Abendlandes" im jeweiligen Landstrich, dem ihr Glockengeläute gilt.

Die zugehörige Gemeinde bestand aus den Bauernschaften Landsatz, Barnitz, Damnatz und Wulfsahl. Später kamen die neue Kolonie Kamerun und das ritterschaftliche Vorwerk Jasebeck hinzu. Wulfsahl schied vor rund einhundert Jahren aus und hält sich seither zu Quickborn. Diese Dörfer bilden bis heute die evangelische Gemeinde Damnatz.

Erst vor dreißig Jahren wurde sie mit der Kirchgemeinde Quickborn unter einem Pfarramt vereinigt, hat aber ihre innere Selbständigkeit durch einen eigenen Kirchenvorstand bewahrt.

Das Kirchengebäude aus Eichenfachwerk und Backsteinfüllung mit hoch eingesetzten Fenstern hob sich in seiner Substanz Jahrhunderte lang nicht von den Bauernhäusern ab. Auch sie bestanden aus dem gleichen Baumaterial. Alle schmiegten sich, lang aufgereiht, wie schutzsuchend an den Elbdeich.

Ein ritterschaftliches Patronatsrecht gab es nicht, so kann man mit Fug und Recht sagen, dieses Gotteshaus eine echte Bauernkirche war und geblieben ist, durch die wechselnden Zeiten getragen vom religiösen Willen seiner bäuerlichen Landgemeinden, heutzutage seiner immer noch ländlich strukturierten Ortschaften.

Seit dem 18. Säkulum hatten einige Efeustöcke die Kirche dicht und hoch überwuchert. Mitte des 20. Jahrhunderts befreite man sie aus der schwellenden Umrankung und übertünchte alle Gefache weiß, da die Ziegelsteine, mit denen man die Kriegsschäden ausgebessert hatte, farblich nicht einheitlich waren.

So zeigt sie sich uns noch jetzt, allerdings beginnt die Farbe langsam zu blättern. Vielleicht würde das erdige Rot der Ziegel zusammen mit den dunkel verwitterten Balken dem Kirchlein besser zu Gesicht stehen und die ursprüngliche Ansicht vermitteln. Eine Entscheidung über einen neuen Anstrich wird wohl bald getroffen werden müssen.

Ein Schnitzbalken über der Eingangstür trägt eine lateinische Inschrift, untrügliches Zeichen, man damals auf „Bildung" sah und dem Zeitgeist oder der Mode jener Epoche nicht nachhinkte.

Buggenhagen hatte zwar schon lange vorher seine niederdeutsche und Luther seine neuhochdeutsche Bibel herausgegeben, aber Latein galt weiterhin als Sprache der Wissenschaft.

Hier kam vielleicht auch befruchtend hinzu, dass Damnatz schon sehr alter Schulstandort war. Man nimmt an, dass gleich nach der Reformation zur Mitte des 16. Jahrhunderts hier eine Küsterschule eingerichtet worden war. Kirchenneubau wie Schule berichten uns von einer wirtschaftlich wie kulturell gesunden Zeit.

Nun steht dort zu lesen: „Esa: 56 . Domus mea domus orationis vocabitur omnibus populis. Extructum est templum Ao 1617 . 24 . Febr."

Das heiß übersetzt: „Jesaja: 56. Mein Haus heißt ein Bethaus allen Völkern. Dies Gotteshaus ist am 24. Februar des Jahres 1617 errichtet".

1618 bricht durch den legendären „Prager Fenstersturz" der verheerendste Religionskrieg aller Zeiten aus. Er wird 30 Jahre dauern und am Ende ein menschenleeres, verwüstetes Norddeutschland hinterlassen.

Die Kriegsgräul erreichten in unserer Region 1635 ihren Höhepunkt.

Nach Abzug der verrohten evangelischen wie auch katholischen Truppen lagen alle Dörfer des Kirchspiels Damnatz in Schutt und Asche.

Der Rest der Bevölkerung vegetierte in den Trümmern dahin und rangen um das tägliche Überleben. Wie durch ein Wunder überstand die Kirche wenigstens in ihrem Äußeren die Brandschatzungen, allerdings nicht die Plünderungen. Erfreulicherweise aber scheinen Deckengebälk, Gestühl, Priechen und Empore sowie der Steinfußboden noch im Original vorhanden zu sein.

Die Kirche ist in der Pfarrei das einzige Gebäude aus der Zeit vor dem „Großen Krieg".

Erst 1650 wurde in Damnatz der erste Hof wieder solide und planmäßig aufgebaut, dem Gotteshaus genau gegenüber. Es ist das Gehöft Blank mit seinem zurückgesetztem niedersächsischem Hallenhaus und der Torscheune an der Straßenfront. Sie erfüllen immer noch ihre Bestimmung.

Von da an erlebt die Gegend einen gezielten Aufbau und eine Wiederbesiedlung durch die energische und kluge Cellische Regierung. 1650 ist ein Markstein des Wiederaufbaus. Aus diesem Jahre stammen auch die Kanzel und der Altar.

Nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs war der Andachtsraum der Damnatzer Kirche Anno 1650 wieder würdig eingerichtet. Auf feiertägliches Geläute musste die Kirchgemeinde Damnatz indes noch bis zum Jahre 1662 verzichten. Dann aber hatte man sich wieder eine Kirchenglocke leisten können. Sie hängt noch heute im Turm und ruft die Gläubigen zur Sammlung.

Die alte Glocke war im „Großen Krieg" (1618 - 1648) geraubt worden. Sie erlitt gleich vielen anderen ihrer Art das Schicksal, eingeschmolzen und umgegossen zu werden zu Kanonen.

Ein arbeitsreiches, ländliches Dasein gestaltete das Leben nach dem Dreißigjährigen Krieg fast 150 Jahre hindurch ohne erschütternde politische Ereignisse und großes Geräusch. Aber dann trat das stille Damnatz wie die ganze Umgegend bald ins grelle Licht bedeutsamer Geschichtsereignisse.

Die „Franzosenzeit" suchte Europa heim.

Sie hatte eher als in anderen Gebieten Norddeutschlands bereits 1803 mit der Besetzung Hannovers durch französische Truppen begonnen. Die damalige Union zwischen dem Königreich Großbritannien und dem Kurfürstentum Hannover veranlasste Napoleon in seinem Kampf um die Vormacht in Europa zur gewaltsamen Aneignung Hannovers. Damit drängte er den englischen Einfluss in Politik und Handel vom Festland.

Alles verlief unblutig und rasch. Der damalige Kurfürst und König saß im fernen London und hatte sein Hannoverland nie gesehen. So gab es auch keine innere Bindung zwischen ihm und den hiesigen Landeskindern, wie es ansonsten die Stärke einer Monarchie sein kann. Man begegnete Engländern hierzulande oft mit zwiespältigen Gefühlen.

Für jemanden, der seinen Zeitgenossen hochnäsig oder kühl reserviert gegenübertritt, hat man noch immer den Spruch parat: „De het sik aewer bannig grotbritaansch!". Jedoch war es mit den ruhigen Zeiten jäh und auf lange vorbei.

Die erste fränzösische Besatzung dauerte bis 1805. Dann zog General Bernadotte mit 17.000 Soldaten gen Süden.

Er verhalf seinem Kaiser Napoleon zum Sieg von Austerlitz.

Kaum hatten die Franzosen bis auf kleine Besatzungskontingente in Hauptstädten unser Land verlassen, begann der Einmarsch von Preußen, Russen und im Solde Englands stehender Schweden. Zuletzt lagen 60.000 Mann Infanterie, Kavallerie und Artillerie im Kurfürstentum und mussten versorgt werden.

Die Regionen an den Heerstraßen und Flussübergängen wurden oftmals zu Heerlagern. Damals tauchten erstmals auch Kosaken auf ihren kleinen, wendigen Pferden in unserer Gegend auf und erregten Staunen. Aus jener „Franzosenzeit" trägt der Kosakenberg in Quickborn seinen Namen. Dort hatte ein größeres Kontingent dieses Reitervolkes aus den Weiten Russlands biwakiert.

Die Unruhe riss nicht ab. Kaum war der Pulverdampf der Schlacht von Jena und Auerstädt (14.10.1806) verqualmt, rückten die Franzosen abermals ins Land und hatten es bis zum November 1806 unter Kontrolle. Umgehend begann das gnadenlose Auspressen unserer Heimat per Kontributionen ( Kriegssteuern ) und Zwangsanleihen. Schon am 25. Dezember Anno 1806 forderte Napoleon 10 Millionen Franken, eine damals riesige Summe und ein fatales Weihnachtspräsent.

Einquartierungen und Fuhrdienste mit Mann und Gespann kamen unablässig und ohne Pardon hinzu.

So mussten hiesige Bauern Vorspann leisten bis zu zwanzig Meilen Entfernung (rund 160 Kilometer).

Erst 1810 wurde unsere Heimat aus diesem permanent schwebenden Kriegszustand entlassen und dem Königreich Westphalen zugeteilt mit französischer Rechtsverfassung. Herrscher dieses staatlichen Kunstgebildes war Jerome, der Bruder Napoleons. Ohne Rücksicht auf historisch gewachsene Strukturen zog man Grenzen und teilte ein. Zwischen Hitzacker und Dannenberg einerseits und der Elbregion andererseits verlief eine Demarkationslinie etwa entlang der Jeetzel.

Die Kirchspiele Damnatz, Quickborn und Langendorf aber blieben beieinander und bildeten zusammen mit den Dörfern der Lucie und der Elbmarsch den Kanton Quickborn des Distrikts Salzwedel im Departement Elbe. Hauptort im hiesigen Kanton wurde Quickborn mit allen Kompetenzen.

Die französische Rechtsprechung ohne Standesunterschiede wurde begrüßt. Die gnadenlose Aushebung junger Männer zum Kriegsdienst unter Napoleons Fahne, die Verknappung vieler Auslandsgüter und Kolonialwaren durch die Kontinentalsperre und die willkürlich hochgeschraubten Steuern zur Finanzierung der napoleonischen Kriegsmaschinerie ließen dagegen den Widerstand wachsen.

Im Winter 1811/12 stand ein großer Komet am Himmel. Die Alten deuteten ihn als Vorzeichen eines schlimmen Krieges. Im Frühjahr 1812 brach der Krieg zwischen Frankreich und Russland dann auch los.

Napoleons Heer war von solch gigantischer Größe, wie man es noch nie erlebt hatte. Es wälzte sich wochenlang durch Europa den Weiten Russlands und dem Untergang im grausamen Winter 1812/13 entgegen.

Allein in den Kantonen Quickborn und Gartow mussten 10.000 Franzosen und 10.000 Hessen und Badenser über die Elbe gebracht werden. Ihnen folgten fast 5.000 zwangsgezogene Soldaten des Hannoverlandes unter der Fahne des Königreichs Westphalen. Weniger als die Hälfte von ihnen sahen die Heimat wieder.

Die Überlieferung weiß zu berichten, dass damals alle verfügbaren Kähne von Hitzacker bis Gartow bei Claasenhof, einem jetzt verschwundenen Fährhaus am Elbufer zwischen Kaltenhof und Wulfsahl, damals zum Kirchspiel Damnatz gehörig, zu einer mächtigen Pontonbrücke verbunden werden mussten. Mit Planken belegt entstand so ein hölzerner, schwankender Überweg, auf dem aber die Armee den Elbstrom zügig überqueren konnte.

Alle damaligen Fähren des genannten Elbabschnittes hätten diesen Transport niemals alleine bewältigen können.

Eine Woche lang soll der Truppenübergang bei Claasenhof gedauert haben. Die Kosten in Höhe von 373 Talern und 5 Groschen wurden den Kantonen Quickborn und Gartow aufgebürdet. Auf dem alten Friedhof von Damnatz, nahe dem Gefallenendenkmal, steht noch heute eine sandsteinerne Grabstele aus Claasenhof.


Darauf lesen wir folgende Namen und Daten:

Johann Peter Carl Christoph Schreiber

in Claasenhof geboren am 26 ten November 1795

daselbst gestorben am 19. October 1849

Dieser Mann hat als Sechzehnjähriger den Elbübergang der Armeen aktiv erlebt. Die Schreibers waren seinerzeit Pächter von Claasenhof und damit wichtige Personen unserer Heimat. Dass diese Wagenfähre mit allem Zubehör einträglich war, erzählt uns noch jetzt das sandsteinerne Monument an der Kirche in Damnatz.

So etwas konnte sich früher durchaus nicht jeder leisten.

Ein solches Denkmal unserer Heimatgeschichte sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Es ist dazu noch das letzte dingliche Zeugnis des aufgegebenen Wohnplatzes Claasenhof, einst bedeutsames Fährhaus mit Landwirtschaft und Krug.

Es musste den Elbregulierungen und Deichbaumaßnahmen weichen in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts. Das Vorwerk Wulfsahl., ebenfalls zur Kirchgemeinde Damnatz gehörig, teilte des gleiche Schicksal. Beide gerieten nach der Rücklegung des Hauptdeiches ins Vorland und waren nun bei extremem Hochwasser nicht zu halten. Während im Wulfsahl wenigstens die Hirtenkate mit Zubehör hinter den Deich versetzt wurde und somit der Ort in gewisser Weise fortdauert, wurde Claasenhof restlos abgetragen. Allein in Kaltenhof wird eine Ackerbreite noch mit Claasenland bezeichnet und von dort aus führt auch immer noch ein alter Fahrweg zum einstigen Standort des Fährhauses.

Ereignisse an der östlichen Grenze Europas sollten die große Geschichte wieder in unsere Region zurücktragen:

Der Vormarsch Napoleons „Großer Armee" brach im Winter 1812/13 im brennenden Moskau zusammen. Des Imperators Ausruf: „Rette sich wer kann!" ist in die Geschichte eingegangen.

Die Kunde verbreitete sich binnen Kurzem in ganz Europa. Bald folgend begann es in allen unterworfenen Völkern zu rumoren, denn sie erkannten die Gunst der Zeit und bereiteten sich auf die Befreiung vor. Zunächst aber hielt ein Waffenstillstand zwischen Napoleon und seinen Gegnern vom 4. Juni bis 18. August 1813 unsere Welt noch in trüglicher Ruhe.

Diese Atempause nutzten indes die Franzosen fieberhaft, um die Kirchen in Quickborn und Damnatz zu Verteidigungspunkten auszubauen. Der Quickborner Kirchturm, schon im Mittelalter als mächtige Wehranlage errichtet, konnte mit seinen dicken Mauern und engen Schießscharten wohl kurzfristig gut als Festung dienen.

Die Damnatzer Fachwerkkirche von 1617 würde dagegen einer etwaigen Kanonade niemals Stand halten.

Daher wurde sie in aller Eile verschanzt hinter Erdreich, Wagen und Gerümpel. „Mein Haus heißt ein Bethaus allen Völkern" ist die Losung und zugleich der Segen dieses Gotteshauses. Nun war das Bethaus zu einem Kampfhaus, zu einem Kriegsbollwerk, geworden.

Der kleinen Besatzung wird es darinnen gewiss bald mulmig zumute gewesen sein, denn jenseits der Elbe sammelte sich ein beängstigend anschwellender Heerhaufen von Freischärlern unter dem Oberkommando des Generals Wallmoden. Partisanenkämpfe durchtobten nach Ablauf des Waffenstillstandes den Westen Mecklenburgs.

Die französischen Soldaten aber sollten von diesem Schanzwerk aus das Einsickern von Widerstandskämpfern verhindern, eine völlig utopische Aufgabe.

Und bereits am 25. August, damit noch drei Wochen vor der Gördeschlacht am 16. September 1813, setzten unerschrockene Freiheitskämpfer über die Elbe, verbanden sich mit hiesigen Männern und griffen die „Festung Damnatz" an. Die Franzosen saßen in der Falle. Die Schanzen gaben nun den Angreifern Schutz.

Der Überlieferung nach war der Kampf verbissen und zog sich fast über einen Tag hin. Noch heute erzählen uns die Einschusslöcher an der Orgelempore und Galerie vom Todernst und von der Heftigkeit jener Ereignisse. Tapfere Mädchen aus dem Dorf versorgten unter Lebensgefahr die Freiheitskämpfer mit Nahrung.

Dies Scharmützel endete mit der Eroberung des Gotteshauses.

Nachdem Franzosen gefallen waren und etliche verwundet, ergab sich die Besatzung. Damit war bei uns der Elbübergang frei für das Nachrücken der Freiwilligenarmee.

Die Gefallenen beerdigte man unmittelbar an der Südwand des Turmes.

Dort erinnert ein Findling noch heute an jene Begebenheiten. „Franzosengrab 1813" lautet seine schlichte Inschrift. Sie gibt uns über Anzahl und Namen keine Kunde.

Den furchtlosen Damnatzer Mädchen schuf man indes 1913, im einhundertsten Gedenkjahr, ein kleines Memorial. An der Nordwand der Kirche wurde eine zierliche Bronzeplatte installiert mit folgender Inschrift:

„Dem Gedächtnis der tapferen Damnatzer Mädchen, die während des Gefechtes am 25 August 1813 im Kugelregen den Befreiern Essen zutrugen."

„Et blievt hüt so vaehl von jöm ehr Lüen, also kann ock woll eene von uns starben"

Tagebuch des Jägers Horn

Gewidmet bei der Hundertjahrfeier 1913 von dem Heimatdorfe

Die Eroberung der Damnatzer Kirche durch unerschrockene Kämpfer der Widerstandsarmee und Einheimische leitete den großen Befreiungskampf 1813-1815 in unserem Lande ein.

Aus dem „Kampfhaus" wurde wieder ein „Bethaus". Das walte Gott für alle Zukunft! Gleichwohl begegnet man dort in mehreren unvergangenen Zeugnissen noch jetzt einem guten Stück deutscher Geschichte.

Der Brunnen des Lebens

In keiner Dorfkirche unserer Region ist die Inneneinrichtung in solch erfreulicher Originalität bewahrt worden wie in Damnatz.

Balkendecke, Ziegelfußboden, Gestühl, Priechen und Emporen stammen in ihrer Grundsubstanz noch aus der Erbauungszeit kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg (1617).

Obwohl Damnatz am Ende des Krieges (1648) vollständig zerstört war und wüst lag, hat dies kleine Gotteshaus, wenn auch ausgeplündert, alle Verheerungen wunderbarerweise überstanden.

Mit der Wiederbesetzung der Bauernstellen um 1650 und der neuerlichen Aufrichtung der politischen und kirchlichen Gemeinde Damnatz erhielt auch die Kirche erneut ihre sakrale Einrichtung.

Darunter steht an erster Stelle der hölzerne Altar mit Seitengehege und seinem großen Mittelbild in einem geschnitzten, hoch aufragenden Rahmen. Er beherrscht zweifellos den Raum der Kirche.

Wir erleben in diesem Altargemälde noch die Übermittlung der Heilsgeschichte durch das Medium der bildlichen Darstellung wie in vorreformatorischen Zeiten. In etwas düsteren Farben aber feinster Malkunst, die an die Holländischen Meister erinnert, wird da in symbolträchtiger und mannigfaltiger Szenerie dem aufmerksamen Betrachter das Heilsgeschehen bilderbuchartig vor Augen geführt.

Im Zentrum des Ganzen steht der erhöhte Kruzifixus in einem zweietagigen Brunnen. Aus Jesu Wunden strömt das Blut herab und füllt zunächst die obere runde Schale. „Brun des Lebens" liest man auf ihrem Rand. Sie steht wie schwebend auf einer Kugel, welche zwischen ihr und dem unteren, sechseckigen Brunnenbecken vermittelt.

Dieser Brunnen nun wird umringt von Bürgern und Geistlichen in den Trachten des 16. und 17. Jahrhunderts. Unter ihnen erkennt man deutlich Martin Luther.

Alle Menschen treten herzu, um von dem „Wasser des Lebens" zu trinken. Die allegorische weibliche Gestalt „Glaube", links im Vordergrund des Bildes, schöpft dies begehrte Elixier aus dem unteren Becken und reicht es den Gläubigen dar.

Rechts neben dem Brunnen steht der auferstandene, gekrönte Jesus im Feiertagsgewand und neben ihm eine gleichfalls gekrönte und bräutlich geschmückte Frau mit bloßem Busen. Sie ist die Personifizierung der christlichen Kirche als der Braut Christi. Goldene Becher halten sie in der Hand und haben wohl des Trunkes sattsam genossen.

Im Süden Deutschlands können wir im Kloster Maulbronn einen uralten dreietagigen Brunnen bewundern. Auf seiner Spitze steht der Heilige Geist in Gestalt einer Taube. Das „Wasser des Lebens", der lebendige Geist Gottes, rinnt von dort in die erste, oberste Schale, „die Welt des Geistes", danach in die zweite Schale, „die Welt der Seele", um von dort, angefüllt mit den Kräften des oberen und mittleren Beckens, in die untere Schale zu strömen, in „die sichtbare Schöpfung".

In ihr vereinen sich Geist, Seele und Materie zur „Welt", in der wir leben. So durchströmt „das Wasser des Lebens" alle Stufen des Daseins. Die geistige Verwandtschaft zwischen dem Brunnen in Maulbronn und dem „Brun des Lebens" in Damnatz drängt sich auf.

Im Altarbild von Damnatz steht Jesus als der Mensch gewordene Gott ganz unverkennbar vor Augen. Sein „Blut" ist das „Wasser des Lebens", ist der „lebendige, heilige Fluss der Liebe", durch den die leibliche Schöpfung ward und bleibt.

Wer sich im Glauben zu ihm hält, steht im Strome der lebendigen Liebe. Er trinkt vom „Wasser des Lebens" und isst vom „heiligen Leib". Durch die Annahme der Gnadengaben Christi durchströmt den Gläubigen der lebendige Fluss der Liebe und er gewinnt die verlorene Verbindung mit Gott, die „göttliche Kindschaft" zurück.

Das ist hier die zentrale Botschaft.

Denn im Hintergrund des Bildes erblickt man in einer mittelalterlichen Kulisse mit Städten, Türmen , Brücken und Burgen auf der linken Seite den Tisch des Herrn. Jesus feiert daran mit seinen 12 Jüngern das Heilige Abendmahl. Hierüber steht plakativ in gotischer Schrift:

„Mein fleisch is die rechte speise und

Mein Blut is die rechte dranck.

Wer da isset Mein fleisch und

Trinket Mein Blut, der bleibet

in Mir und ich in ihm. iohans 6".

Im rechten Hintergrund wird die österliche Auferstehung Jesu aus einem Grab gezeigt. Der Auferstandene winkt den Gläubigen mit hoch erhobener Linken zu und schwenkt in der Rechten den Wimpel des Sieges. Über ihm lesen wir:

„Ich vertilge dein Missetat

Wie eine Wolke und deine

Sünde wie der Nebel, kehre

Dich zu Mir den(n) ich erlöse dich

ESAIA 44".

Links im Vordergrund steht unübersehbar ein steinerner Sockel direkt am Brunnenrand. Auf ihm liegen markant zwei große Bücher übereinander. Sie sind beschriftet als New Testament und Old Testament, als Altes und Neues Testament.

Der Fuß des Sockels trägt die Inschrift „der Egstein - Esaias 28 "

Dadurch stellt sich uns das ganze Altargemälde als ein echt lutherisches Kunstwerk dar. Der Schlussstein aller Lehre ist folglich durch Martin Luthers Bibelübersetzung gelegt. Nun ist die Lehre kein Geheimnis mehr, sondern kann durch eifriges Studium, Verinnerlichung und als gelebter Glaube jedermann zum Segen werden. So wird die „Heilige Schrift" in diesem Sinne zum „Brunnen des Lebens".

Das untere Brunnenbecken, gleich neben dem „Eckstein" mit den Testamenten, trägt zwei Aufschriften, die offenkundig ganz in dieser Lehre stehen: „ Wer da dürstet der kum und trinke - IHANS 7" -

„Ich wil den durstigen gewen von dem brun des lebendigen Wassers"

Das Altargemälde schließt ab an seinem unteren Rande mit einem quer über die ganze Bildfläche laufenden Spruch:

„Wolan alle die Ihr durstich seit undt nicht Geld haben, kommet her kaufet und esset. Kommet her kaufet one gelt und umsunst beide Wein und Milch. Warum zelt ihr Gelt , dar da kein Brot ist und ihr arbeitet da ihr nicht satt werden könnet. ESAIA 55"

In diesem Spruch aus dem Buche des Propheten Jesaja finden wir noch abschließend die unmißverständliche Lehre, Durst und Hunger der Seele zu stillen.

Kunsthistorisch ist das Damnatzer Altargemälde noch nicht erforscht. Seine Herkunft ist unbekannt. Seine Mission aber erfüllt es nun schon über 350 Jahre. Und das ist ja schließlich seine hohe Bestimmung.

Während in den benachbarten Dorfkirchen zur Zeit des Barock (18.Jahrhundert) und selbst noch im nachfolgenden Klassizismus (19. Jahrhundert) die hochaufragenden Kanzelaltäre errichtet wurden, behielt man in Damnatz die Trennung von Altar und Kanzel bei, wie sie sich auch in den großen Stadtkirchen überwiegend erhalten hat. „Ex oriente lux" (von Osten kommt das Licht) war Glaubenssatz und hat die Ost-West- Ausrichtung aller unserer Kirchen bedungen. Im „Ostchor", also dem Sonnenaufgang zugewandt, steht seither unverrückt der „Tisch des Herrn".

Diese Architektonik ist vom Mittelalter her auf uns gekommen als ein Ausdruck der Hochrangigkeit des Ritus im Altarbereich und höchstens einer Gleichrangigkeit der Verkündigung von seitlich gestellter Kanzel. Und nur so konnten symbolträchtige Gemälde, Altaraufsätze oder Flügelaltäre von zentraler Stelle aus in den Sakralraum und die Gemeinde hineinwirken. Damit ist auch der missionarischen Kraft religiöser Bildwerke ein hoher Rang eingeräumt.

All dieses kann man nun in bescheidener, dennoch eindringlicher Weise in der Damnatzer Kirche auf sich wirken lassen.

Zu den unauffälligen jedoch beachtenswerten Besonderheiten im Altaraufsatz gehört nun zweifelsohne das gerahmte Rechteck genau über dem inhaltsreichen Gemälde.

Es schwebt gewissermaßen über dem Ganzen und zeigt auf heller Fläche nichts weiter als in großen, goldenen, römischen Lettern die Buchstabenfolge: I H S

Dabei ist das H durch Größe hervorgehoben. Es muss demnach in seinem Sinngehalt auch von besonderer Bedeutung sein.

Diese Inschrift war längere Zeit unter Übertünchungen verschollen. Bei den Renovierungsarbeiten 1958 trat sie wieder zutage und wurde lobenswerterweise restauriert. Mit diesen drei vermeintlich simplen Schriftzeichen wird uns indes eine ganze Botschaft überbracht. Nach alter Symbolsprache tragen sie folgende tröstliche Glaubensgewissheit durch die Zeiten:

„Gottes Wille wird sich sieghaft in der Welt vollenden."

Nach deutscher Lesart könnte man auch die unkomplizierte Entschlüsselung geben:

J (esus) - H (eiland) - S (ieger)

Beide Deutungen stehen im Einklang auch mit den Aussagen des Altargemäldes.

Es ist ein Glücksfall für unsere Region, dass die Inneneinrichtung der Damnatzer Kirche seit 350 Jahren keinen zweifelhaften Modernisierungen zum Opfer gefallen ist.

Nur so wurden uns ihre Schätze bewahrt, deren Symbolik noch im glaubensstarken Mittelalter wurzelt.

Nur wird es wohl ein Rätsel bleiben, wo solch Kunstwerk um 1650 entstanden und wie es nach Damnatz gelangt ist, auch welch ein Meister es weiland geschaffen hat.

Fraglos war er ein „Eingeweihter" in die Mysterien unseres christlichen Glaubens.

Dass es im diesem Gesamtwerk nicht allein um das Spirituelle geht, sondern auch um brave priesterliche Praxis, beweisen uns anrührend die beiden Säulen des Altargeheges links und rechts der Altarstufe.

Sie enden jeweils mit einem zierlichen, kastenförmigen Aufsatz, gekrönt von einer dreiblättrigen goldenen Blume. Beide Kästchen sind beweglich. Nimmt man das linke ab, findet man, versenkt in der Säule, das zierliche, zinnerne Taufbecken. Seiner ganzen Art nach ist es noch das originale Gefäß aus der Zeit der Einrichtung 1650. Der rechte Säulenaufsatz funktioniert mit einem Scharnier wie ein Klappdeckel. Schlägt man ihn zurück, entdeckt man eine senkrechte Höhlung gleich einem dicken Bohrloch, weit und tief genug, um darin eine Flasche mit angewärmtem Taufwasser oder Messwein zu verwahren.

Auf diese Weise war raumsparend und praktikabel dem zelebrierenden Geistlichen alles Wichtige zur Hand gegeben. Wo ist dergleichen in unserem Lande noch zu finden?

Leider sind vor etlichen Jahren die originalen dunklen Türen links und rechts des Altargeheges sehr unsensibel ersetzt worden. Ihre weißgrauen Flächen einschließlich klobiger Türknöpfe wirken wie Fremdkörper in dem ansonsten noch geschlossenen Ensemble von Altar, Altaraufsatz und Kanzel. Hier ist eine sensible und kunstgeschichtlich sichere Rekonstruktion zu empfehlen.

Das Artilleriefeuer am 22. April 1945 hat, ganz im Gegensatz zum Dorf, der Kirche gottlob keinen großen Schaden zugefügt. Lediglich die Zierumrandung des Altargemäldes erlitt eine Blessur.

Die etwas erhöhte Kanzel an der Westwand des Gotteshauses wird von einer kurzen, hölzernen, gedrehten Säule getragen. Vom Altarbereich führt eine kleine Treppe zu ihr empor. In deren Außenwange ist die Zahl 1650 eingekerbt. Dadurch ist uns das Baujahr der Inneneinrichtung sicher erwiesen.

Die Kanzel nun zeigt uns, im Halbkreis umlaufend, auf großen Bildtafeln die vier Evangelisten.

An erster Stelle sitzt zur linken Hand Matthäus, gemäß der Reihung im Neuen Testament. Wir sehen ihn im Schatten eines Baumes sein Evangelium verfassen. Ein mächtiges Schreibbuch ruht auf seinem Schoß.

Die rechte Hand hält eine Schreibfeder parat.

Ihm schaut ein kleiner geflügelter Engel zu, der nur bis zu den Schultern sichtbar ist. Ein geflügelter Kopf, eben solch Schultertorso oder ein kleiner Engel ist bekanntlich das Symbol des Matthäus.

Sein Evangelium betont den menschlichen Ursprung Christi und überbringt uns damit das Wissen um das Heilsgeschehen vor nun 2000 Jahren.

Von den vier Schöpfungselementen vertritt er die Luft.

Ihm folgt nun Marcus. Auch er sitzt am Fuße eines großen Baumes mit Schreibfoliant und Feder.

Zu seiner Rechten erkennt man in etwas naiver Darstellung ein Löwenhaupt. Der Löwe nun ist das Symbolum des Marcus.

Sein Evangelium trägt zu uns die starke göttliche Kraft der Wandlung „vom Irrtum zur Weisheit." Es ist somit ein Inbegriff des göttlichen Willens, die menschliche Seele zur Erlösung zu führen und durch leidenschaftliches Wollen den Glaubensweg zu finden.

Von den vier Elementen vertritt Markus das Feuer.

Ihm reiht sich folgerichtig der Evangelist Lucas an. Die äußere Situation auf dieser Bildtafel ist die gleiche wie auf denen zuvor. Am Fuße eines starken Baumes und im Schatten dessen ausladender Krone verfasst auch er seine „Frohe Botschaft".

Sein Symbol ist der schwarze Stier und wir sehen solchen zu seiner Rechten.

Lucas verkörpert von den vier Grundelementen die Erde, damit auch deren Energie.

Darinnen steht die Kraft bereit für das Wagnis des Glaubens im irdischen Widerstreit.

Von den Gläubigen nicht mehr sichtbar verbirgt sich der Wand zugekehrt das Abbild des Johannes. Wieder sehen wir den alten Baum, der mit seiner Krone stets die obere Bildfläche beherrscht. Seine Blätter erinnern an Eichenlaub. So rückt alle ferne Botschaft in die reale Nähe und wird erlebbar. Wir verirren uns hier wohl nicht in Spekulationen, in ihm den Baum der Erkenntnis zu erblicken, unter dessen schattender Krone die vier Evangelisten lagern und aus der ihnen die „heilige Erkenntnis" gewissermaßen träuft.

Johannes verkörpert schließlich nach allem Glaubenskampf die Wiedergeburt im Geiste. Nur so vollzieht sich die Überwindung und Auflösung der erdgebundenen Schicksalszwänge. Es ist der Weg von der Fesselung an die Materie zur befreienden Vergeistigung.

Symbol des Johannes ist daher der Adler. Auch der vermag gleichnishaft sich majestätisch den Blicken und der Erdenschwere zu entziehen durch stillen, aber himmelersteigenden Höhenflug. Dieser letzte, ganz individuelle Entwicklungsprozess vollzieht sich in der Stille. Daher unterliegt er dem Schweigen.

Das Element des Johannes ist das Wasser, die „Wiege des Lebens".

Ohne irdisches Wasser erstirbt der Leib und ohne das geistige „Wasser des Lebens", wie es symbolreich im Altargemälde dargestellt ist, erstirbt die Seele.

Wisse! Wolle! Wage! Schweige! - Das ist die Botschaft der Kanzel und des Altars in Damnatz.

Etwas später als Kanzel und Altar wurde die geschlossene Bank der Kirchenvorsteher an der Westwand zwischen „Predigtstuhl" und Kirchbänken eingefügt. Sie hebt sich durch ihr feines Holzgitterwerk über geschlossenen Kassettenwänden hervor und zeugt von einer guten Handwerkskunst.

Blickt man vom Altar in das Kirchenschiff, so fällt an der Nordwand, ganz im Schatten der Orgelempore, ein hölzerner, großer Gitterkasten auf. Er nimmt das Zentrum der rückwärtigen Kirchenwand ein und gleicht völlig einem Beichtstuhl, wie er in katholischen Kirchen zu finden ist, man müsste ihn nur noch mit Gardinen versehen. Seitlich führt ein Türchen hinein und in seinem Innern steht eine Bank.

Dies Objekt gibt zunächst Rätsel auf, denn es handelt sich in Damnatz um eine rein lutherische Kirche. Das Gebilde kann daher allein aus der Erbauungzeit des Gotteshauses (1617) stammen, also rund 70 Jahre nach Einführung der Reformation. Damals war die Welt des Glaubens durchaus noch schwankend zwischen Katholizismus und Protestantismus, sonst wäre 1618 nicht der Dreißigjährige Krieg ausgebrochen. Und manches katholische Glaubensdogma wurde nicht sofort abgelegt, sondern allmählich und oft erst nach heftigen akademischen und synodalen Auseinandersetzungen, so auch das der Ohrenbeichte.

Man wollte in diesem „Käfig" schon einen Patronatsstuhl erkennen, jedoch ist Damnatz in seiner neueren Kirchengeschichte nie ritterpflichtig gewesen und hatte daher keinen Patron über sich.

So bleibt allein der „Beichtstuhl" als Erklärung übrig, eben aus der frühen Zeit unseres Luthertums.

Viel später erfolgte die Installation einer Orgel. Der heutige Prospekt in seiner klassizistischen Form weist stilistisch auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wir wissen von den alten Orgeln allerdings nichts mehr. Das jetzige Werk aber stammt aus dem Jahre 1913 und wurde von der Firma Furtwängler & Hammer (Hannover) erbaut.

Dieses einmanualige Instrument besitzt keine Zugregister, wie ansonsten unsere Orgeln, sondern große Schaltknöpfe, mit denen die fünf Stimmen pneumatisch aufgerufen werden können und dann vom Organisten zu Klang und Leben erweckt. Auch das ist in hiesiger Orgellandschaft eine Besonderheit.

So sind in der Kirche von Damnatz überraschend viele Besonderheiten aus alter und neuer Zeit wohltuend erhalten. Sie machen das Gotteshaus unter den alten Eichen und Eschen und hinter dem hohen Elbdeich zu einem Kleinod unserer Heimat. Bewahren wir es mit all seinen Schätzen nicht als Museum, sondern als lebendige Stätte unserer Historie und vor allem unseres Glaubens gemäß seines Leitwortes über dem Eingang:

„Mein Haus soll ein Bethaus sein allen Völkern".

Damnatz und Umgebung