Ärger um Pistorius-Besuch - Evakuierungen in Hitzacker ausgesetzt - Sicherung der Elbdeiche abgeschlossen

rg Damnatz. Strahlend blau ist der Himmel über Lüchow-Dannenberg. Die Sonne scheint, es herrscht Urlaubswetter.

»Kaum zu glauben, dass hier Katastrophenalarm herrscht», sagt ein Feuerwehrmann aus Bochum, der gerade mit seinen Kameraden auf dem Elbdeich bei Damnatz steht und wartet. Auf den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius warten die Feuerwehrmänner, und mit ihnen wartet eine ganze Kompanie Bundeswehrsoldaten aus Neustadt am Rübenberge. Denn Pistorius wolle sich Einsatzkräfte in Aktion ansehen, beim Errichten einen Sandsackwalls, heißt es von der Einsatzleitung. Und so stehen die 300 Einsatzkräfte auf dem Deich und warten. Doch sie warten vergebens: Pistorius, ein SPD-Mann, kommt nicht, er hat sich anderenorts an der Hochwasserfront fotografieren und filmen lassen. Die Helfer in Damnatz haben umsonst gewartet. Und darüber sind viele stinksauer. Nicht etwa, weil sie sonderlich großen Wert darauf gelegt hätten, dem Minister die Hand zu schütteln. Den Namen Pistorius hat dort auf dem Deich, zwischen nordrhein-westfälischen Feuerwehrleuten und Soldaten aus ganz Deutschland eh kaum jemand je gehört. Man ärgert sich darüber, als Staffage dienen zu sollen, und dann auch noch fast eineinhalb Stunden vergeudet zu haben, die man deutlich sinnvoller hätte verbringen können, als in der Sonnne wartend vor einer nur noch wenige Meter breiten Sandsack-Lücke auf dem Deich. Die ist schnell geschlossen, als bekannt wird, dass der Innenminister nicht mehr kommen wird. Nach dem Befehl »Macht das Loch zu», den Hauptmann Schmidt seinen Männern lautstark gibt, dauert es keine fünf Minuten, und die Lücke ist geschlossen. Die letzte Lücke auf den Lüchow-Dannenberger Elbdeichen, wie aus dem Kreishaus zu erfahren ist. »Wir sind mit den Vorbereitungen fertig, es hat alles ganz wunderbar geklappt», freut sich Landrat Jürgen Schulz. Und auch in Wussegel freut man sich. Dort ist die Erhöhung der unzureichenden Hochwasserschutzmauer an den Elbterassen auch fertiggestellt. »Eine solide Sache, hohe Ingenieurskunst», attestiert man im Kreishaus der SBI-Bau aus Breese in der Marsch, die innerhalb von nur zwei Tagen »etwas errichtet hat, das man zu normalen Zeiten in zwei Jahren nicht hinbekommen hätte», loben unisono Jürgen Schulz und Jürgen Meyer, der Samtgemeindebürgermeister der Elbtalaue. Über 14 Tonnen Stahl haben die Fachleute von SBI-Bau dort in Wussegel verbaut, einem der neuralgischsten Punkte der Hochwasserfront. Dort, wo ein Versagen des Hochwasserschutzes schlimme Folgen für große Teile Lüchow-Dannenbergs hätte, weil von dort aus das Wasser bis tief in den Landkreis hineinfließen würde. Doch das »kann jetzt nicht mehr passieren», ist sich Landrat Schulz sicher. »Das, was die Leute von SBI da hingesetzt haben, ist hervorragende Arbeit.»

Nicht zuletzt deswegen war bereits vorgestern auch die vorsorgliche Evakuierung von Wussegel aufgehoben worden. Und gestern nun gab die Samtgemeinde Elbtalaue bekannt, dass auch Hitzackers Stadtinsel nicht evakuiert werde. Zumindest nicht am Sonntag. »Die Evakuierung ist ausgesetzt, aber nicht aufgehoben», heißt es im Rathaus in Dannenberg. Die rund 250 Bewohner der Stadtinsel und mehrerer weiterer betroffenen Straßen müssten sich darauf gefasst machen, ihre Häuser ab Sonntag jederzeit räumen zu müssen, falls es die Lage erfordert. Daher empfehle man auch allen Bewohnern, auch ohne Evakuierungsanordnung die Stadtinsel zu verlassen. »Das gebietet der gesunde Menschenverstand in dieser Lage», so Landrat Schulz. Denn schließlich werde den neuesten Prog-nosen nach ein neues Rekordhochwasser in Hitzacker erwartet - höher als 2002 und 2011. Von »Acht Meter plus X» ist im Krisenstab im Kreishaus die Rede. »Das ist enorm und enorm gefährlich», so Schulz.

In Neu Darchau sind unterdessen auch die Vorbereitungen auf die Flut abgeschlossen. Der Notdeich ist fertig, gestern verschloss ein Bagger die noch offene Zufahrt zur Fähre »Tanja» mit einem Sandwall, der nun noch mit Plane abgedichtet wird. »Wir liegen im Zeitplan, und das ist gut», sagt Jürgen Schulz. Und ohne das Auslösen des Katastrophenalarms hätte so auch nicht funktioniert, weist er Kritik an der Maßnahme zurück. Und auch die neuen Prognosen geben ihm Recht. Denn acht Meter plus X sind kein normales Hochwasser. Sie sind eine Katastrophe.