Artikel der EJZ vom 22.06.2013

BGM Torsten Schulz am Pegel Damnatz
In Damnatz macht man sich Sorgen, ob die Deiche auch bei der nächsten Jahrhundertflut noch halten.

rg Damnatz. Es riecht modrig am Damnatzer Elbedeich. Das zurückgewichene Wasser der Rekordflut hat eine grau-braune Schicht auf den Pflanzen und jede Menge Treibgut zurückgelassen, das nun in den Bäumen und Büschen im Elbvorland hängt oder am Deich liegt.

Und noch ist die Elbe nicht wieder in ihr eigentliches Bett zurückgekehrt, es ist noch immer »ein ordentliches Hochwasser», das da am Deich steht, sagt Damnatz» Bürgermeister Torsten Schulz. Seine Gemeinde ist nur knapp einem Unglück entgangen, weiß Schulz, leicht hätten die prognostizierten Rekordpegelstände die Deiche überspülen oder brechen lassen können. Dass es nicht so kam, ist Glück gewesen, oder besser gesagt: das Pech anderer, denn vor allem der Deichbruch bei Fischbeck war es, der auch die Damnatzer Deich entlastete. Doch auf Glück kann man sich bei Hochwasser nicht verlassen, sagt Schulz. Und daher fordern er und sein Gemeinderat die Verantwortlichen nun zum Handeln auf.

Es gibt nämlich Schwachstellen in dem Deichsystem, das Damnatz und seine Ortsteile schützt, und die müssen nun dringlich beseitigt werden, fordert der Gemeinderat. Denn man rechne damit, dass die nächste Jahrhundertflut nicht lange auf sich warten lassen wird, betont Schulz. Exakt einen halben Meter höher als beim bis dahin amtierenden Rekordhochwasser von 2011 stand die Elbe vor nicht einmal zwei Wochen am Damnatzer Deich, und das seien »keine Zahlen zum Prahlen», so Schulz. Vielmehr würden sie verdeutlichen, dass Handlungsbedarf bestehe. Und zwar dringend.

Ein flexibler und vor allem ganzjähriger Rückschnitt der Bäume und Büsche im Elbvorland sei nötig, heißt es in einem Schreiben des Damnatzer Gemeinderates an Landrat Jürgen Schulz. Auch müsse am Deich zwischen dem Damnatzer Friedhof und Penkefitz der Binnendeichfuß mitsamt des darauf verlaufenden Deichverteidigungsweges erhöht werden, um zu verhindern, dass dort Wasser durchsickert, und die maroden Pflasterstraßen auf dem Deich müssten durch haltbare Betonbahnen ersetzt werden, um sie künftig bei der Deichverteidigung nutzen zu können, fordert der Damnatzer Gemeinderat. Wichtig seien aber auch länderübergreifende Maßnahmen zur Schaffung von Polderflächen, und zwar nicht nur an der Elbe, sondern auch an ihren Zuflüssen.

Ein Schild hat Torsten Schulz anfertigen lassen. Darauf sind die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre aufgezeichnet, beginnend mit dem sogenannten Jahrhunderthochwasser des Jahres 2002. Die Liste endet mit dem Hochwasser dieses Jahres und einem Pegel von 8,20 Meter. Darunter ist noch Platz, denn »wir glauben nicht, dass dieser Rekord lange Bestand haben wird», sagt Torsten Schulz. Und daher müsse man nun »mit allen Beteiligten unbürokratisch Maßnahmen zu unserem Schutz einleiten», betont der Bürgermeister. Sonst komme beim nächsten Hochwasser die Elbe auch in Damnatz über die Deiche, und dann sei mit ähnlichen Schäden zu rechnen wie aktuell in Fischbeck oder großen Teilen Bayerns. »Bei einem Deichbruch hier wäre die gesamte Dannenberger Marsch betroffen», sagt Schulz. Das bedeutet: viele tausend Menschen in vielen tausend Häusern.

Doch nicht nur mahnen, auch danken wolle man als Gemeinderat, sagt Torsten Schulz. Danken für »die rechtzeitig und weitsichtig eingeleiteten Maßnahmen» zur Deichverteidigung, so Schulz. Ausdrücklich sei damit auch das Ausrufen des Katastrophenalarms durch Landrat Schulz gemeint, lobt der Damnatzer Bürgermeister seinen Namensvetter im Kreishaus. »Man wird hier an der Elbe niemanden finden, der das nicht begrüßt und Jürgen Schulz dabei unterstützt. Schon gar nicht so nahe am Deich.»

Bild: Auf dem Schild, das Torsten Schulz am Damnatzer Elbpegel anbringt, ist noch Platz für weitere Rekordhochwasser. Dass es die geben wird, daran hat er keine Zweifel. Aufn.: R. Groß

Ärger um Pistorius-Besuch - Evakuierungen in Hitzacker ausgesetzt - Sicherung der Elbdeiche abgeschlossen

rg Damnatz. Strahlend blau ist der Himmel über Lüchow-Dannenberg. Die Sonne scheint, es herrscht Urlaubswetter.

»Kaum zu glauben, dass hier Katastrophenalarm herrscht», sagt ein Feuerwehrmann aus Bochum, der gerade mit seinen Kameraden auf dem Elbdeich bei Damnatz steht und wartet. Auf den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius warten die Feuerwehrmänner, und mit ihnen wartet eine ganze Kompanie Bundeswehrsoldaten aus Neustadt am Rübenberge. Denn Pistorius wolle sich Einsatzkräfte in Aktion ansehen, beim Errichten einen Sandsackwalls, heißt es von der Einsatzleitung. Und so stehen die 300 Einsatzkräfte auf dem Deich und warten. Doch sie warten vergebens: Pistorius, ein SPD-Mann, kommt nicht, er hat sich anderenorts an der Hochwasserfront fotografieren und filmen lassen. Die Helfer in Damnatz haben umsonst gewartet. Und darüber sind viele stinksauer. Nicht etwa, weil sie sonderlich großen Wert darauf gelegt hätten, dem Minister die Hand zu schütteln. Den Namen Pistorius hat dort auf dem Deich, zwischen nordrhein-westfälischen Feuerwehrleuten und Soldaten aus ganz Deutschland eh kaum jemand je gehört. Man ärgert sich darüber, als Staffage dienen zu sollen, und dann auch noch fast eineinhalb Stunden vergeudet zu haben, die man deutlich sinnvoller hätte verbringen können, als in der Sonnne wartend vor einer nur noch wenige Meter breiten Sandsack-Lücke auf dem Deich. Die ist schnell geschlossen, als bekannt wird, dass der Innenminister nicht mehr kommen wird. Nach dem Befehl »Macht das Loch zu», den Hauptmann Schmidt seinen Männern lautstark gibt, dauert es keine fünf Minuten, und die Lücke ist geschlossen. Die letzte Lücke auf den Lüchow-Dannenberger Elbdeichen, wie aus dem Kreishaus zu erfahren ist. »Wir sind mit den Vorbereitungen fertig, es hat alles ganz wunderbar geklappt», freut sich Landrat Jürgen Schulz. Und auch in Wussegel freut man sich. Dort ist die Erhöhung der unzureichenden Hochwasserschutzmauer an den Elbterassen auch fertiggestellt. »Eine solide Sache, hohe Ingenieurskunst», attestiert man im Kreishaus der SBI-Bau aus Breese in der Marsch, die innerhalb von nur zwei Tagen »etwas errichtet hat, das man zu normalen Zeiten in zwei Jahren nicht hinbekommen hätte», loben unisono Jürgen Schulz und Jürgen Meyer, der Samtgemeindebürgermeister der Elbtalaue. Über 14 Tonnen Stahl haben die Fachleute von SBI-Bau dort in Wussegel verbaut, einem der neuralgischsten Punkte der Hochwasserfront. Dort, wo ein Versagen des Hochwasserschutzes schlimme Folgen für große Teile Lüchow-Dannenbergs hätte, weil von dort aus das Wasser bis tief in den Landkreis hineinfließen würde. Doch das »kann jetzt nicht mehr passieren», ist sich Landrat Schulz sicher. »Das, was die Leute von SBI da hingesetzt haben, ist hervorragende Arbeit.»

Nicht zuletzt deswegen war bereits vorgestern auch die vorsorgliche Evakuierung von Wussegel aufgehoben worden. Und gestern nun gab die Samtgemeinde Elbtalaue bekannt, dass auch Hitzackers Stadtinsel nicht evakuiert werde. Zumindest nicht am Sonntag. »Die Evakuierung ist ausgesetzt, aber nicht aufgehoben», heißt es im Rathaus in Dannenberg. Die rund 250 Bewohner der Stadtinsel und mehrerer weiterer betroffenen Straßen müssten sich darauf gefasst machen, ihre Häuser ab Sonntag jederzeit räumen zu müssen, falls es die Lage erfordert. Daher empfehle man auch allen Bewohnern, auch ohne Evakuierungsanordnung die Stadtinsel zu verlassen. »Das gebietet der gesunde Menschenverstand in dieser Lage», so Landrat Schulz. Denn schließlich werde den neuesten Prog-nosen nach ein neues Rekordhochwasser in Hitzacker erwartet - höher als 2002 und 2011. Von »Acht Meter plus X» ist im Krisenstab im Kreishaus die Rede. »Das ist enorm und enorm gefährlich», so Schulz.

In Neu Darchau sind unterdessen auch die Vorbereitungen auf die Flut abgeschlossen. Der Notdeich ist fertig, gestern verschloss ein Bagger die noch offene Zufahrt zur Fähre »Tanja» mit einem Sandwall, der nun noch mit Plane abgedichtet wird. »Wir liegen im Zeitplan, und das ist gut», sagt Jürgen Schulz. Und ohne das Auslösen des Katastrophenalarms hätte so auch nicht funktioniert, weist er Kritik an der Maßnahme zurück. Und auch die neuen Prognosen geben ihm Recht. Denn acht Meter plus X sind kein normales Hochwasser. Sie sind eine Katastrophe.