Obwohl auf allen unseren inzwischen elf Blühflächen weitestgehend die gleiche Saatmischung ausgebracht wurde, unterscheiden sie sich sehr. Wie sich die Flächen entwickeln, hängt zum Beispiel vom Boden ab, denn wir haben um Damnatz teils arme Sandböden und teils reichere Auenlehmböden. Eine wichtige Rolle spielt auch, ob sie sich im ersten, zweiten oder dritten Jahr nach der Aussaat befindet, ob im Frühjahr oder Herbst ausgesät wurde und was auf der Fläche vor der Aussaat wuchs. Es gibt deshalb durch das Projekt elf ganz unterschiedliche Blühflächen. Genau genommen sogar fast zwanzig, denn auch innerhalb der Flächen bestehen zum Teil große Unterschiede. Für die Tierwelt ist dieser Mix positiv, denn je größer die Vielfalt, umso eher ist für jeden was dabei.
Hier eine kleine „Typologie“ unserer Blühflächen in diesem Jahr:
Weiße Lichtnelkenpracht mit Fenchel- und Wegwarten-Akzenten – Blühflächen im dritten Jahr auf reicheren Böden
Im dritten Jahr nach der Aussaat können ausdauernde Arten wie Wiesen-Flockenblume oder Hornklee gut zum Zuge kommen. Solche Arten sind auf den Flächen auch reich vertreten. Besonders im Vordergrund steht hier in diesem Jahr aber noch die Weiße Lichtnelke, eine meist ein- oder zweijährige Pflanze, die vor allem für Nachtfalter sehr wertvoll ist. „Überragend“ ist oft der Fenchel, bei uns eine Kulturpflanze, die sich als ein Renner bei Wildbienen, Honigbienen, Käfern und anderen erwiesen hat. Ebenfalls „zum Höheren berufen“ ist die Wegwarte, die ihre himmelblauen Blüten nur vormittags zeigt, dann aber ein begehrter Treffpunkt vor allem von Hummeln ist.
Blühfläche Ortsausgang nach Kamerun (Ende Juli). Die Weiße Lichtnelke ist stark vertreten
Blühfläche Achter Höfe am Sonnenhof Ende Juli (3x), auch eine Blühfläche im dritten Jahr.
Fenchel
Wegwarte
Mit den Blühflächen auf „besseren“ Standorten im dritten Jahr sind wir recht zufrieden. Nur auf einem kleineren Teil ist der Aufwuchs etwas arg massereich und dicht. Vor allem dort wollen wir im August einen Teil mähen und das Mahdgut abräumen, damit auch konkurrenzschwächere Arten sich behaupten können.
Unscheinbar von außen, aber mit besonderen "inneren Werten" – Blühflächen im dritten Jahr auf armen Böden
Die älteren Blühflächen auf armen Sandböden wirken von weitem eher wie Grasflächen, denn das rosagetönte Wollige Honiggras beherrscht das Bild. Von nahem betrachtet kann man aber erkennen, dass die Flächen durchaus sehr vielfältig und blütenreich sind. Positiv ist auch, dass der Bewuchs relativ lückig ist. Dadurch bedrängen und verdrängen sich die Pflanzen nicht gegenseitig. Bodennistende Wildbienen finden offene, besonnte Stellen, um ihre unterirdischen Nester anzulegen. In den Lücken können sich ergänzend zu den Aussaaten weitere Wildpflanzen entwickeln, zum Beispiel das Acker-Stiefmütterchen, auf dem die Raupe des Kleinen Perlmutterfalters lebt. Überhaupt kommt der nicht so dichte Aufwuchs vielen Insekten entgegen. Auf diesen Blühflächen haben wir bisher am meisten seltene und gefährdete Insektenarten gefunden.
Blühfläche Rosenstraße von der Straße aus gesehen: Gräser beherrschen das Bild (Ende Juli)
Die selbe Fläche aus der Nähe gesehen: Die Vielfalt ist hier besser zu erkennen.
Ähnlich artenreich, aber ebenfalls von weitem unscheinbar ist die Fläche an der Kirchstraße (Ende Juli).
Die gleiche Fläche Mitte August. Auch in der größten Trockenheit, wo in der Landschaft kaum noch etwas blüht, ist hier an Wildblumen und Insekten eine Menge los. (Im Vordergrund Rainfarn und Wiesen-Flockenblume)
Obwohl die älteren Blühflächen auf armen Sandböden zugegebenermaßen optisch aus der Ferne nicht gerade einen Schönheitspreis erwarten können, ist ihr Wert für die Artenvielfalt sehr hoch. Wir sehen jetzt im Sommer noch keinen Sinn in einer Pflegemahd. Allenfalls mähen wir „Problemzonen“ kleinflächig, zum Teil per Hand (vergraste Ränder, Quecken, Acker-Schachtelhalm...).
Großer Auftritt für Steinklee und Wilde Möhre – Blühflächen im zweiten Jahr auf reicheren Böden
Im letzten Jahr kamen in großer Menge auf den besser nährstoffversorgten Flächen die zweijährigen Arten Echter Steinklee und Weißer Steinklee sowie die Wilde Malve auf und sorgten für reichen Besuch von Honigbienen und Hummeln. Auf zwei später dazugekommenen Flächen findet nun in diesem Jahr die „Steinkleephase“ statt, zum Teil auch mit viel, ebenfalls zweijähriger, Wilder Möhre. Im Frühsommer boten diese Flächen einen besonders ansprechenden, blütenreichen Anblick und haben im Juli vom Blühaspekt her etwas nachgelassen. Jetzt im August sind sie durch die Dürre vorzeitig weitgehend verblüht.
Blühfläche im zweiten Jahr im Vorjahr mit Steinklee und Malve (Ortsausgang nach Kamerun, Ende Juni 2021)
Blühfläche Ortsausgang Richtung Seybruch Ende Juni 2022: Hier lässt sich gut die unterschiedliche Entwicklung im zweiten und dritten Jahr vergleichen. Die linke Einsaat ist drei Jahre alt und von weitem herrscht optisch die Weiße Lichnelke vor. Rechts eine Erweiterung, die im zweiten Jahr steht und in der zu diesem Zeitpunkt der Echte Steinklee den Ton angibt.
Blühfläche Kirchstraße am Ortsausgang nach Barnitz Ende Juli. Nach recht buntem Aufwuchs im Frühsommer schoben sich im Juli Weiße Lichtnelke und Wilde Möhre in den Vordergrund.
Bei beiden Flächen ist eine Pflegemahd im Sommer auf jeweils der Hälfte der Flächen sinnvoll, weil der teils sehr dichte Aufwuchs kleine Pflanzenarten ausdunkeln kann und weil so noch einmal eine Nachblüte zu erwarten ist.
Kamillen-Mohn-Kornblumen-Explosion – Blühflächen im ersten Jahr auf armen Böden
Die neuen Blühflächen auf Sand überraschten uns in diesem Frühjahr und Frühsommer mit einer Blütenpracht von Kamille (Echte und Geruchlose Kamille), Mohn (Klatsch-Mohn, Saat-Mohn und Sand-Mohn) und Kornblume. Vor allem die Kamillenarten, die offenbar allgemein ein gutes Jahr hatten, können auf Ackerflächen überhand nehmen und Probleme bereiten. Sie sind schön für den Betrachter und bei blütenbesuchenden Insekten beliebt, nicht jedoch bei Landwirten und waren deshalb auch natürlich nicht in unserer Blühmischung. Im nächsten Jahr werden diese Ackerwildkräuter wohl weitgehend durch andere Pflanzen abgelöst sein.
Blühfläche Achter Hoefe bei den "Zollhäusern" Mitte Mai: Im Frühling war zunächst der Sand-Mohn, ein eher seltener Mohn, zur Stelle, zusammen mit dem Inkarnat-Klee (Kulturpflanze) und Hirtentäschel.
Die selbe Fläche Ende Juni mit Klatsch-Mohn, Kornblume, Echter und Geruchloser Kamille.
Noch einmal die selbe Fläche, Ende Juli, jetzt durch die Trockenheit überwiegend verblüht. Die Sonnenblumen links gehören übrigens nicht zur Blühfläche, sondern stehen auf dem Nachbarfeld, wo sie unsere Blühflächen schön ergänzen. In unserer Mischung sind Sonnenblumen zwar auch enthalten, unsere Blühfläche wurde aber im Herbst eingesät und Sonnenblumen entwickeln sich dann meist nicht, dafür aber viele andere Arten.
Diese Flächen waren auch für die Tierwelt sehr wertvoll, weil durch die Herbsteinsaat schon im April einiges an Wildblumen da war und auch, weil die nicht zu dichte Vegetation genug Platz für im Sandboden nistende Wildbienen ließ.
Jetzt wirken die Flächen ziemlich verblüht und wir mähen einen Teil in der Hoffnung auf eine Nachblüte.
Melde und Luzerne als Vordrängler – Blühflächen im ersten Jahr auf reicheren Böden
Auf zwei neuen Blühflächen auf gut nährstoffversorgten Standorten sind zwar viele von den gewünschten Arten gekeimt. In beiden Fällen hat eine Pflanze aber erst mal Oberhand gewonnen.
Bei Landsatz ist es der Weiße Gänsefuß (Botaniker-Name) bzw. die Melde (Bezeichnung von Landwirten und Gärtnern). Dieses Ackerwildkraut kommt bei Frühjahrseinsaat oft massenhaft auf, verschwindet in mehrjährigen Blühflächen aber im Folgejahr wieder. Bis dahin signalisiert der Anblick „unschön“ oder „irgendwie misslungen“. Deshalb und um die Zielarten in der „unteren Etage“ zu fördern, führen wir eine Schröpfmahd durch, mähen also den Bestand hoch ab.
Blühfläche bei Landsatz mit Weißem Gänsefuß (Ende Juli)
Die gleiche Fläche aus der Nähe: Viele der eingesäten Arten sind gekommen.
Bei Kamerun sind uns in die Aussaatmischung Reste einer anderen Blühmischung geraten (von der Biosphärenreservatsverwaltung empfohlene „Hummelmischung“). Die Mischung enthält die Luzerne, eine Kulturpflanze, die als Viehfutter angebaut wird und vor allem für Hummeln sehr viel Nektar bietet. Sie neigt auf der Blühfläche allerdings dazu, andere Pflanzenarten zu unterdrücken. Deshalb wollen wir diese Fläche in zwei Schritten beweiden oder abmähen und hoffen auf eine bessere „Balance“ zwischen der Luzerne und den anderen Pflanzen.
Blühfläche bei Kamerun mit Ende Juli dominierender Luzerne und Wald-Staudenroggen (für samenfressende Vögel in die Mischung getan).
Luzerne (mit Hauhechel-Bläuling)
Die „Waldwiese“ – Blühfläche im Halbschatten
Unsere landschaftlich wohl am schönsten gelegene Blühfläche ist die „Tanja-Wiese“. Sie liegt idyllisch direkt am Elberadweg zwischen zwei Wäldchen. Eine Bank lädt hier zum Verweilen. Ein Freundeskreis der verstorbenen Wendländerin Tanja Wittmann hatte die schöne Idee, die Fläche durch Blühpatenschaften um 2000 m² zu vergrößern und zu einem Gedenkort zu machen.
Die im letzten Herbst eingesäte Erweiterungsfläche hat sich auch wirklich ganz wunderbar entwickelt. Hier kamen reichlich Kornblume und Kamille, aber auch viele andere Arten auf.
Erweiterungsfläche der Tanja-Wiese Mitte Juni.
Der halbschattige Teil in Deichnähe entspricht noch nicht ganz unseren Vorstellungen. Dabei hatten wir hier zweimal eine Nachsaat versucht und im Herbst auch über hundert vorgezogene Wildpflanzen gesetzt. Zwar sind viele der gewünschten Arten vorhanden, vorherrschend sind aber verschiedene Gräser, die das Bild prägen. Das liegt daran, dass die Fläche zuletzt eine grasreiche Ackerbrache war und die Gräser sich trotz aller Bemühungen halten konnten, und daran, dass Halbschatten ohnehin für Blühflächen nicht optimal ist. Wir sind aber optimistisch, dass sich mit Geduld eine blütenreichere Fläche entwickeln wird.
Deichnaher Teil der "Tanja-Wiese"
Um die Zielarten zu fördern, mähen wir den halbschattigen Teil jetzt hoch ab. Mit Rücksicht auf Nachbarflächen wurden die stellenweise aufkommenden Acker-Kratzdisteln abgeschnitten. Und um die Fläche besser erleben zu können, haben wir einen kleinen Rundweg in die Blühfläche hinein gemäht.
Alles in allem sind wir recht zufrieden mit der vielfältigen und artenreichen Entwicklung der Blühflächen auch in diesem Jahr. In diesem extrem heißen und trockenen Sommer, der in der Landschaft auch zu Blütenarmut führte, war für blütenbesuchende Insekten auf den Blühflächen immer noch Nahrung zu finden.
Alle Fotos © Georg Wilhelm